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Venedig - Stellen die Kreuzfahrtschiffe wirklich eine Bedrohung für die Lagunenstadt dar?


Venedig ist eine italienische Küstenstadt, die im Nord-Osten Italiens an der adriatischen Küste liegt. Sie ist die Hauptstadt der Region Venetien, sowie der Provinz Venedig. Das touristische Zentrum Venedigs liegt auf einer größeren Insel in der Lagune, die an das Festland angebunden ist. Von der Gesamtfläche Venedigs, die circa 415 km2 beträgt, sind mehr als die Hälfte (circa 260 km2) Wasserflächen. Durch die besondere und einzigartige Struktur und Lage der Stadt, wurde Venedig im Jahr 1987 auf die UNSECO-Liste der Weltkulturerbe gesetzt. Viele Künstler ließen sich von der Stadt inspirieren. Sehr bekannt ist bis heute die Biennale von Venedig, bei der Werke bedeutender Künstler zu bestaunen sind. Seit etwa hundert Jahren hat sich Venedig auf den Tourismus angepasst, der sich im Prinzip fast nur noch in der Altstadt abspielt. Auf dem Festland hingegen (Mestre, Marghera) konzentriert sich das Geschehen eher auf den industriellen Zweig

Entstehung der Lagune und Aufbau der Fundamente

Drei Flüsse waren für die Entstehung der Lagune verantwortlich (Brenta, Piave, Sile). Da alle drei Flüsse in den Bergen entsprangen, brachten sie große Massen an Geröll, Gestein und Sand mit sich. Diese lagerten sich schließlich im Mündungsdelta ab. Wichtig ist hierbei, dass der Fluss Brenta viele ton- und kieselhaltige Alpensedimente mit sich führte, die sich im Küstenwasser zu einem zähen und matschigen Untergrund verdichteten. Da sich die Ablagerungen häuften verflachte der Küstenabschnitt so stark, dass sich ohne jeglichen Einfluss des Menschen durch die Meeresströmungen kleine Inseln und Landzungen geformt haben. Im 14. Jahrhundert wurden die Flüsse umgeleitet, um eine weitere Veränderung zu verhindern. Interessant ist, dass bis heute noch ein kleiner Teil der Brenta vorhanden ist. Der „Canale Grande“ fließt mitten durch die Altstadt. Die Lagune ist etwa 50 km lang und 15 km breit. Ebenfalls interessant: Die durchschnittliche Tiefe der Lagune beträgt nur 1,5 Meter (Ablagerungen durch Fluss Brenta).

Die Bebauung Venedigs begann im frühen 9. Jahrhundert. Sie hatte zwei Hauptmerkmale: So wurden eingelassene Pfeiler mit leichten Materialien, wie Ziegel, kombiniert.

Da die oberste Schicht der Lagune aus Sand und Schlick besteht, ist sie sehr unstabil. Um das Tragen von Gebäuden zu ermöglichten und somit die Belastbarkeit des Bodens zu erhöhen, rammte man Pfähle aus verschiedenen Holzsorten, in Form von konzentrischen Kreisen, in den Boden. Um eine gleichmäßige Gewichtsverteilung für die Gebäude zu erreichen, wurde zusätzlich eine Holzkonstruktion über die Pfähle gelegt. Für die Kirche „Santa Maria della Salute“ wurden mehr als 1 Millionen Holzpfähle verbraucht. Für die Rialtobrücke 10.000. Für Gebäude mit einem hohen Gewicht wurden also sehr viele dieser Pfähle verwendet. Doch die Pfähle alleine reichten nicht aus, um ein Haus zu halten. Wegen der bereits genannten Bodeneigenschaften musste man die Gebäude äußerst leicht halten. Dies geschah durch die geschickte Auswahl der Baumaterialien. Man verwendete möglichst wenig Stein und stattdessen Holzkonstruktionen. Außerdem wurden wegen der Gefahr einer Bodenabsenkung Materialien ausgesucht, die sehr flexibel (Holz für horizontale Strukturen) und widerstandsfähig gegen Druck (Ziegel für senkrechte Strukturen) waren.

Auch zu beachten war, dass man die Fassaden (Ziegelsteine) der Gebäude nicht in Berührung mit dem Meerwasser kommen lassen durfte. Denn dieses durchdringt in die Poren, wo es dann schließlich verdunstet. Das zurückgelassene Salz in den Wänden kristallisiert und erhöht somit das Volumen und den Druck auf die Ziegel. Die Folge: Abblättern und Spalten der Wände. Deshalb schützte man die Gebäude und Denkmäler, indem man wasserdichte Materialien (wasserundurchlässige Gesteine) benutzte.

Der Tourismus in Venedig

Um es kurz zu machen: Venedig ist die am häufigsten besuchte Stadt Europas. Im Durchschnitt ist jeder dritte Mensch, der sich in der Stadt aufhält, ein Tourist. Um einen weiteren Vergleich zu ziehen, kann man das Jahr 2011 nennen: In diesem Jahr befanden sich 30 Millionen Touristen in Venedig. In Rom, der Hauptstadt Italiens, waren es nur 10 Millionen. Beindruckend sind die Zahlen auch, wenn man die Größen der beiden Städte in Betracht zieht. Denn Venedig ist sehr viel kleiner und eigentlich auch nicht für solch eine große Masse an Menschen ausgelegt. Im Durchschnitt befand sich jeder Tourist im Jahr 2010 nur 2,3 Tage in der Lagunenstadt. Kritisiert wird der Kurzzeittourismus von den Venezianern, weil die Touristen, von denen auch nur ein Drittel in der Stadt übernachtet, nicht so viel Profit einbringen. So wehrte sich die venezianische Bevölkerung im Jahr 1999 gegen die Tagestouristen mit Plakaten, auf denen dramatische Fotos gezeigt wurden (Ratten in Kanälen, Verschmutzungen, etc.).

In der Altstadt wird die Fortbewegung hauptsächlich mit kleinen Booten getätigt. Sehr berühmt und von Touristen geliebt, sind die Gondeln. Neben den Gondeln, die ausschließlich Touren für die Touristen anbieten, gibt es schnellere Boote, wie die Vaporetti (Wassertaxis), die auch von der einheimischen Bevölkerung genutzt werden. Zu erwähnen ist außerdem, dass es in Venedig mehrere Hundert private Boote gibt.

Die Altstadt ist auch an das Festland angebunden. So kann man die Stadt auch mit dem eigenen Auto erreichen, oder einen Zug nehmen. Die Straße wird hauptsächlich von den Kreuzfahrttouristen benutzt, da das Kreuzfahrtterminal am Rand der Altstadt liegt und man mit dem Auto nicht weiter in die Stadt fahren kann. Venedig besitzt drei Flughäfen, von denen für die Touristen nur einer relevant ist. Der Flugplatz „Venedig-Marco Polo“ ist der viertgrößte Flughafen Italiens. Im Jahr 2008 wurden circa 7 Millionen Passagiere abgefertigt.

Venedig bildet mit seinem Kreuzfahrthafen den Ausgangspunkt für viele Mittelmeerkreuzfahrten, zu denen ich später ausführlicher berichte.

Probleme in der Lagunenstadt

Probleme, die auf natürliche Art und Weise entstehen

Venedig kämpft schon immer gegen starke Hochwasser und mit den damit verbundenen Folgen. Dem Absinken der Stadt wollte man schon damals resistieren, indem man zum Beispiel unter die „Piazza San Marco“ mehrere Pflasterschichten legte und Flüsse umleitete. Im 18. Jahrhundert wurden kleine Dämme, die „murazzi“, gebaut. Diese Dämme bestanden aus istrischem Kalkstein, verbunden mit wasserfestem Zement (Pozzolan). Gebaut wurden sie auf Sandbänken entlang der Küste. Heute helfen die murazzi nicht mehr gegen starke Hochwasser, weil im Laufe der Zeit (wegen den wechselnden Gezeiten) eine Erosion stattfand, die die Dämme beschädigte.

Die Hochwasser werden hauptsächlich durch die Gezeiten bestimmt. Alle 12 Stunden herrscht also Flut, weshalb der Wasserspiegel ansteigt. Doch der Anstieg des Wassers wird zusätzlich durch den südöstlich wehenden Wind Scirocco verstärkt, weil dieser das Wasser aus der Lagune nicht abfließen lässt. So kommt es aufgrund von den Sciroccostürmen im Sommer zu den meisten Überschwemmungen.

Ein weiteres Problem ist das salzige Meerwasser an sich. Aus verschiedenen Gründen hat der Wellengang in der Lagune stark zugenommen. Deshalb werden auch die Bereiche der Hausmauern vom Salzwasser erreicht, die nicht mehr von den Erbauern geschützt worden sind. Durchdringt das Wasser die Poren, verdunstet es und lässt das Salz zurück, welches kristallisiert. Der Druck im Stein wird damit erhöht und er bröckelt auf Dauer ab.

Auch die Lebewesen im Wasser haben negative Auswirkungen auf die Lagune. Würmer und Krebse zerfressen die Holzpfähle, die demnach ihre Tragfähigkeit verlieren. Schwämme, Seetang und Flechten bedrohen die Pfähle ebenfalls.

Ein Thema, welches wohl die ganze Welt betrifft, ist der Klimawandel. Da die Polkappen schmelzen, steigt global der Meeresspiegel an. Dieser Anstieg hat in Venedig verheerende Folgen (Salzwasser und Fassaden, …). Zusätzlich herrschen tektonische Bewegungen, die die Stadt auf natürlich Weise absinken lassen. Die Kombination aus Klimawandel und Tektonischen Vorgängen ist die gefährlichste für die Stadt, welche man nur sehr schwer in den Griff bekommen kann.

Durch den Menschen verursachte Probleme

Einflüsse der Industrie

Um 1917 wurde beschlossen, eine Industriezone am Rand der Lagune zu errichten. Dabei entstand der Hochseehafen „Porto Marghera“ und der Flughafen bei Mestre auf dem Festland. Der Bau dieser Industrieanlagen forderte für einen Teil der Lagune eine Trockenlegung. Im Jahr 1983 betrug die Gesamtoberfläche der Lagune nur noch 70% dessen, was zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorhanden war. Das natürliche Strömungssystem innerhalb der Lagune wurde zerstört. So konnte der Schmutz, der bei der Flut in die Lagune transportiert wurde, nicht mehr hinausschwimmen.

Der Hafen von Marghera ist sehr wichtig für die Industrie. Pro Jahr kommen etwa 1.200 Schiffe in den Hafen. Um großen Öltankern den Zugang zur Lagune zu ermöglichen, grub man in die Tiefe, damit die Schiffe mit großem Tiefgang ankommen konnten. Die Ausbaggerung solcher Schiffsfahrtrinnen veränderte die Richtung und Geschwindigkeit der Meeresströmungen. Sie wurden wesentlich schneller und verursachten die Abtragung von Salzwiesen. Auch die Flut wurde durch die Ausbaggerung verstärkt. Denn das Wasser strömte viel schneller und viel mehr in die Lagune ein, als früher. Bei Ebbe ist der Wasserstand wiederrum niedriger.

Das bei der Flut kommende Wasser steht höher, als von den Erbauern vorgesehen. Es entstehen die bereits genannten Schäden an den Fassaden. Bei Ebbe steht das Wasser an einigen Stellen zu niedrig, es kann teilweise kein Boots- und Schiffsverkehr stattfinden. Die Pfähle beginnen zu faulen, weil sie die Luft erreichen.

Ein weiteres Problem entsteht durch die Industrie auf dem Festland in Mestre und Marghera. Die meisten Fabriken gehören Chemiekonzernen, die in der Lagune ihren Müll entsorgen. Diese Verschmutzung hat schlimme Folgen: So fand man im Jahr 1995 auf dem Grund des flachen Lagunenmeeres 500.000 Tonnen sehr giftiges Material (krebserregendes Dioxin, aromatische Kohlenwasserstoffe, Pestizide, Mineralöle, Schwermetalle). Im Frühling 1998 fand man vier Deponien von radioaktiven Phosphorkalken, die den Grenzwert um das 100-fache überstiegen. Alle genannten Stoffe stellen eine Gefahr für die Fassaden und Holzpfähle in der Lagune dar. Ebenfalls hat die Artenvielfalt in der Lagune abgenommen, nur noch 50% der Arten (von 1930) sind noch vorhanden.

Einflüsse der Stadtbewohner

Selbst die Bewohner an sich haben einen negativen Einfluss auf die Lagunenstadt. Denn eine richtige Kanalisation gibt es in Venedig nicht, weshalb die Abwässer in der Lagune landen. Zusätzlich kommen noch Wasch- und Düngemittel hinzu, die größtenteils aus der Entwässerung des Agrarlandes vom Rand der Lagune stammen. Im Jahr 1988 breitete sich ein riesiger Algenteppich in der Lagune aus, in dem sich unendlich viele Insekten verbreiteten. Es kam sogar so weit, dass diese den Verkehr lahmlegten.

Die Motorboote in der Stadt, die die langsamen Gondeln abgelöst haben, verursachen in der Lagunenstadt einen verstärkten Wellengang. Der beständig starke Wellengang kann durch seine Wucht die Fundamente beschädigen und das angehäufte Material zum Schutz der Pfähle abtragen. Durch das Freilegen der Pfähle stehen diese schutzlos im Wasser und sind gefährdet abzubrechen oder abzusinken.

Das Absinken der Stadt wird dadurch verstärkt, dass die Bewohner sich nicht an die Bauvorschriften halten. Die Gewichtsverteilung in den Gebäuden ist nicht mehr gleichmäßig verteilt und die Pfähle sinken stellenweise ab. Die Fundamente werden uneben und instabil. Da, wie bereits erwähnt, immer häufiger Hochwasser auftreten, sind die unteren Etagen der Häuser oft sehr feucht und von Schimmel befallen.

Durch den extremen Touristenandrang ziehen die Menschen aus der Stadt, weshalb es keine privaten Investoren mehr gibt, die die Schäden beseitigen können.

Lösungen für die Probleme

Projekt „Modulo Sperimentale Elettromeccanico“ (Mose)

Um die Überschwemmungen in der Altstadt zu vermeiden entwarf die italienische Regierung im Jahr 1981 das Projekt „Mo.S.E.“. Bei diesem Projekt handelt es sich um ein Stahlschleusensystem unter Wasser, welches an drei Laguneneingängen verankert wird. Die Schleusen sind 15m hoch, 20m lang, 4,5m breit und innen hohl. Zusätzlich sind sie mit verschließbaren Metallkappen versehen.

Sind die Metallkappen verschlossen, liegen die Schleusen mit Wasser gefüllt auf einem Metallsockel im Meeresboden verankert. Dies ist sehr praktisch, weil Schiffe, die über die Schleusen fahren, nicht behindert werden. Droht eine Flut, wird in Hohlräume Luft gepresst, die die Schleusentore nach oben klappen lässt (Winkel ist circa 45°). Die Flutmassen werden so von der Lagune ferngehalten. Droht eine sehr starke Flut, lässt sich die Barriere auf einen Winkel von bis zu 55° anheben. Insgesamt 79 Fluttore werden auf die drei Lagunenzugänge verteilt.

Trotz der vielen Vorteile, zieht das Projekt Mose auch Nachteile mit sich. So wird die Lagune während des Einsatzes der Fluttore vom Wasseraustausch mit dem Meer komplett abgeschnitten. Werden die Tore in der Flutsaison häufig benutzt, kann die Lagune sich nicht mehr selbst reinigen. Negative Auswirkungen hat dies auf die Flora und Fauna der Lagune. Würde man die Fluttore nur bis zu einer Höhe von niedrigen Überschwemmungen einsetzen (1,2 m), wäre die Lagune vor den starken Überschwemmungen nicht mehr geschützt, womit das 5,4 Mrd. teure Projekt eher sinnlos wäre.

Obwohl Umweltschützer protestierten, entschied man sich 2001 für das Projekt. Wegen verschiedenen Bauverzögerungen hat sich die geplante Fertigstellung (2016) um mehrere Jahre verschoben. Vermutlich wird Venedig ab Dezember 2018 von stärkeren Hochwassern sicher sein.

Lösungen für die Verschmutzung, verursacht durch die Industrie

Durch den Industriehafen in Marghera wird die Lagune enorm verschmutzt. Eine Lösung wäre, die Öl-Frachter und Schiffe in andere Städte, wie Triest oder Ravenna, umzuleiten. Zusätzlich könnte man die ausgegrabene Rinne wieder verschließen, damit der Wasserkreislauf in der Lagune seinen alten Lauf nimmt. Diese Lösung wird aber nicht realisiert, weil durch eine Anhebung des Grundes die Kreuzfahrtschiffe nicht mehr in den Hafen fahren könnten.

Verbote für die Bewohner

Für die Bevölkerung Venedigs wurden phosphathaltige Waschmittel und Kunstdünger (in der Landwirtschaft) verboten. Die Kläranlagen für Abwässer aus der Industrie sollen erneuert werden. Es wurde eine Geschwindigkeitsbegrenzung für private Boote eingeführt. Der Canale Grande ist nur noch in einer Richtung befahrbar.

Weitere Lösungen

Die Gebäude in Venedigs Altstadt wurden teils renoviert. Durch eine Zementmischung wurden Fundamente teilweise verfestigt. Die Uferpromenade auf der Insel Lido wurde ausgebessert und erhöht. In San Pietro in Volta wurden Strände ausgeweitet und die Bereiche zur Lagunenseite erhöht. Die bereits erwähnten „murazzi“ wurden ebenfalls erneuert.

Kreuzfahrtschiffe in Venedig

Ein Ort, zwei Perspektiven. Auf dem rechten Bild ist das zu sehen, was die Venezianer mehrmals täglich vom Markusplatz aus betrachten. Ein gigantischer Luxusliner mit einem Gewicht von über 130.000 Tonnen fährt mitten durch die Lagune und versperrt die Sicht. Auf der anderen Seite, in 60 Metern Höhe, reihen sich tausende Kreuzfahrttouristen an der Reling auf, um die wunderschöne Hafenaus- bzw. Hafeneinfahrt zu genießen.

Der Kreuzfahrttourismus in Venedig wirft viele Fragen und Diskussionen auf. Eine dieser Fragen lautet, ob die riesigen Schiffe wirklich eine Bedrohung für die Lagune darstellen, oder ob sie von Nutzen für die Einwohner sind. Dieser Frage gehe ich im Folgenden etwas genauer auf den Grund, damit man die ewigen Diskussionen zu dem Thema neutral und mit Fakten verstehen kann.

Entstehung von externen Kosten

Der Tourist bezahlt die Reederei dafür, um seine Ferien auf dem Schiff verbringen zu können. Beginnt der Urlaub in Venedig, benutzt der Tourist ein Vaporetto, um sich Venedig anzusehen. Aus der Sicht des Touristen ist dies natürlich ein besonderes Erlebnis. Von der anderen Seite aus betrachtet, nämlich von der des Einwohners, sieht das Ganze etwas anders aus. Die Population Venedigs leidet unter der Verschmutzung der Kreuzfahrtschiffe und der Vaporetti. Die Wellen, die die Schiffe und Schnellboote verursachen, sind ein Problem für die Einwohner, weil sie die Fundamente zerstören. Ebenfalls erschweren die Schnellboote den Verkehr innerhalb der Stadt.

Aus den genannten Gründen entstehen für den Einwohner Kosten für (z.B.) Renovationen. Kosten, die die Reederei nicht begleichen muss. Müsste die Kreuzfahrtgesellschaft den entstandenen Betrag bezahlen, würde der Preis einer Kreuzfahrt rasant ansteigen und die Schiffe würden Venedig sehr wahrscheinlich nicht mehr so häufig anfahren. Doch da das nicht der Fall ist, nutzen die Reedereien dies gewissermaßen aus, um selbst Profit zu machen. So bieten viele Veranstalter wöchentlich Kreuzfahrten ab Venedig an. Ein Schiff startet am Samstag, kreuzt durch das östliche Mittelmeer, kehrt am nächsten Samstag wieder in Venedig zurück und fährt mit neuen Passagieren weiter. Das wiederholt sich in der Sommersaison bis zu 30 Mal pro Schiff. Viele Venezianer wünschen sich, dass die Verantwortlichen, nämlich die Gesellschaften, die Kosten für Reparaturen (etc.) begleichen müssen. Außerdem wünschen sich viele Bewohner, die Anzahl der Touristen zu begrenzen.

Die Kreuzfahrttouristen in Venedig

Die bereits genannten „externen Kosten“ werden hauptsächlich durch Touristen verursacht, zu denen die Kreuzfahrer zählen. Die Anzahl der Kreuzfahrttouristen hat aufgrund einer erhöhten Anfrage sehr stark zugenommen. Die Beliebtheit der Kreuzfahrt hat sich vor allem bei Familien entwickelt. Denn die traditionelle „Rentnerreise“ gibt es nicht mehr. Die Schiffe bieten immer mehr Attraktionen, wie Kletterwände, Wasserrutschen, Aquaparks, Surfsimulatoren und 4D-Kinos an. In einer (im Vergleich) günstigen Innenkabine kann man eine Woche an Bord eines „Spaß-Schiffes“ schon für 500€ pro Person (Kabine und Verpflegung ohne Getränke) ergattern. Die Angebote an Bord und die scheinbar günstigen Preise locken viele Menschen an. Das Problem dieses Anstiegs ist für Venedig, dass die Kapazitäten für so viele Menschen praktisch nicht mehr ausreichen.

Im Jahr 1988 berechneten J. van der Borg und P. Costa die maximale Touristenkapazität („carrying capacity“) in Venedig, bei der Reisegäste die Lagunenstadt nicht negativ beeinflussen. Die Berechnung ergab ein Maximum von 20,750 Personen pro Tag. Dies entspricht etwa 7,5 Millionen Touristen jährlich. Die absolute Schmerzgrenze liege bei 12 Millionen Urlaubern pro Jahr.

Im Jahr 2011 besuchten etwa 25 Millionen Reisende die Stadt. Die Anzahl der Touristen steigt. Also steigt auch die Menge der verfügbaren Hotels, B&B, Restaurants und Taxis. Trotzdem sind diese Mittel nicht ausreichend, um solch einer großen Masse an Menschen standzuhalten. Also liegt die „carrying capacity“ noch an der gleichen Stelle, wie vor 27 Jahren, bei 7,5 Millionen. Natürlich sind nicht alle Touristen in Venedig Kreuzfahrer. Von den 25 Millionen insgesamt, sind dies etwas weniger als 2 Millionen pro Jahr. Man kann hier also sehen, dass die Zahl selbst nicht wirklich problematisch ist.

Die Problematik liegt nämlich darin, dass nahezu alle Schiffe an Wochenenden in Venedig anlegen, an denen die Stadt sowieso schon komplett überfüllt ist. Befinden sich gleich 5 bis 7 solcher Riesenschiffe im Hafen, kann das bis zu 30,000 Kreuzfahrttouristen pro Tag bedeuten. Sieht man sich wieder die maximale Kapazität von Costa und Van der Borg an, überschreiten allein die Kreuzfahrttouristen die Höchstanzahl.

Der Kreuzfahrtverkehr und der Profit, den die Kreuzfahrttouristen einbringen

Kreuzfahrtverkehr


Der Hafen Venedigs verteilt sich auf zwei Standorte: Der Industriehafen von Marghera (Gelb) und der Hafen, in dem die Kreuzfahrtschiffe anlegen (Dunkelblau). Beide Häfen haben, obwohl sie praktisch nebeneinander liegen, unterschiedliche Zugänge. Die Öltanker, die den Industriehafen erreichen wollen, müssen durch den „Malamocco Mund“ fahren. Die Kreuzfahrtschiffe benutzen den „Lido Mund“, der etwas weiter nördlich liegt. Der Zugang zum Hafen erfolgt für Passagierschiffe durch den Giudeccakanal, also mitten durch die Altstadt, am Markusplatz vorbei.

Diese Route verursachte einige Proteste, die sich gegen den Schiffsverkehr in der Altstadt aussprachen. Man schlug vor, den Kreuzfahrtverkehr zum südlicheren Lagunenausgang (Malamocco) umzuleiten. Dazu wäre eine Verbindung (Rot) nötig, die extra ausgegraben werden müsste. Das Projekt wurde aus Angst vor einem erneuten Strömungswandel der Lagune nicht realisiert.

Venedigs Kreuzfahrthafen wurde 2012 von 569 Kreuzfahrtschiffen angefahren. Das heißt, dass exakt 1,138 Mal Kreuzfahrtschiffe am Markusplatz vorbeigeschwommen sind. Durchschnittlich bleibt solch ein Schiff 19,5 Stunden im Hafen, bis es Venedig wieder verlässt.

80% aller Kreuzfahrtschiffe, die in Venedig anlegen, gehören drei großen Gesellschaften an:

  • Carnival Corporation (36%, mit den Tochtergesellschaften Costa Crociere, Aida, Princess, Cunard, etc.)

  • MSC Cruises (30%)

  • Royal Caribbean (14%)

Die Ausgaben eines Kreuzfahrers in Venedig

Bei der Berechnung der Ausgaben der Kreuzfahrtreisenden, wird in zwei Gruppierungen unterschieden:

  • Passagiere, die Venedig als Start- und Endhafen nutzen (1)

  • Passagiere, die Venedig als „Durchfahrtshafen“ nutzen (2)

Die Transitgäste (2) machten im Jahr 2012 den kleineren Teil aus: 198,320 Menschen verbrachten im Schnitt acht Stunden in der Stadt.

Die Passagiere, die Venedig als Ausgangshafen verwenden, waren in der Mehrzahl: 770,113 Gäste kamen in die Stadt. Davon verbrachten aber nur 40% mindestens eine Nacht in einem Hotel.

Die Transittouristen lassen insgesamt 15.478.316 € in der Stadt. Im Gegensatz dazu stehen die „Home port tourists“: Sie geben zusammen 104.143.466 € aus.

Die Crews der Kreuzfahrtschiffe

Nicht nur die Passagiere selbst geben ihr Geld in Venedig aus. Manchmal bekommen Besatzungsmitglieder der Schiffe die Möglichkeit, an Land zu gehen. Natürlich geben diese wegen ihren weniger gut bezahlten Jobs nicht so viel Geld aus, wie die Touristen. Außerdem haben sie meistens nur begrenzt Zeit, weil sie ihrer Schichtarbeit an Bord nachkommen müssen. Die Durchschnittssumme beträgt 25€ pro Tag.

Insgesamt geben Crewmitglieder pro Jahr circa 5.900.000 € aus.

Die Kosten, für die die Reederei aufkommen muss

Die großen Kreuzfahrtschiffe legen natürlich nicht um sonst im Hafen an. Die Schiffe müssen von zwei Schleppern begleitet werden. Außerdem sind sie verpflichtet, von zwei Piloten geleitet zu werden. Dazu kommen Kosten für Sicherheitsmaßnahmen im Hafen. Zusätzlich muss die ganze Gepäckabfertigung geregelt werden. Der Parkplatz am Hafen ist natürlich auch nicht gratis. Auch bezahlt werden, muss manchmal der Transit der Gäste zum Flughafen.

Der Gesamtbetrag beläuft sich auf 41,800,000 €.

Die Verschmutzung der Lagune durch Kreuzfahrtschiffe

Verschmutzung allgemein

In Europa erleiden jährlich 500,000 Menschen einen vorzeitigen Tod, der durch die atmosphärische Verschmutzung verursacht wurde. Der Schiffsverkehr ist eine der Hauptquellen für die Umweltverschmutzung weltweit.

Natürlich sind die Hafenstädte sehr stark durch die Schiffe belastet. Im Vergleich: Ein Schiff lässt Abgase in die Luft, die ungefähr 2,700 Mal schmutziger sind, als die eines Autos. Ein weiteres Problem ist, dass ein Schiffsmotor immer läuft, ob im Hafen oder auf See. Denn das Bordleben für die Passagiere muss weiterlaufen. Schätzungen zufolge sterben in Europa jährlich 50,000 Menschen vorzeitig wegen diesen Schiffsabgasen.

Hauptelemente, die eine Luftverschmutzung hervorrufen sind:

  • Schwefeldioxid, welches die Atemwege reizt und für viele Krankheitsfälle in Küstengebieten verantwortlich ist. Außerdem verursacht Schwefeldioxid eine Versäuerung der Meere.

  • Distickstoffmonoxid (Lachgas), welches die Lungenfunktion negativ beeinträchtigt. Ebenfalls steigert das Distickstoffmonoxid die Wahrscheinlichkeit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Im Meerwasser können sich keine Pflanzen und Algen entwickeln, durch das „Lachgas“ findet ebenfalls eine Versäuerung statt.

  • Feinstaubpartikel, deren Anwesenheit oft Asthma hervorrufen kann. Oft sind die Feinstaubpartikel Grund für eine chronische Bronchitis und Lungenkrebs. Vor allem Kinder sind davon betroffen.

Die atmosphärische Verschmutzung in Venedig

Macht ein Kreuzfahrtschiff in Venedig Halt, nimmt dies ein wenig Zeit in Anspruch: Ab dem Moment, in dem das Schiff den Lido-Mund passiert, dauert es bis zum vollständigen Anlegen im Hafen etwa eine Stunde.

Berechnet man den durchschnittlichen Ausstoß eines Schiffes in Venedig, einigt man sich auf folgende Werte:

  • Das Durchschnittsgewicht der Schiffe (2012) beträgt 65,059 Tonnen.

  • Im Umkreis von 50km um den Hafen, befindet sich das Schiff etwa 2 ½ Stunden lang.

  • Der Transport des Schiffes durch die Lagune dauert etwa eine Stunde

  • Der Aufenthalt im Hafen dauert 19,5 Stunden

Während das Schiff im Hafen steht, stößt es Abgase mit etwa 0,1% Schwefelgehalt (Marine Diesel Oil) aus. Während des „Schwimmens“ bestehen die Abgase zu 3,5% aus Schwefel (Bunker Fuel Oil).

Berechnet man auf diesen Grundlagen die Menge der Abgase, kommt man auf folgende Ergebnisse:

  • 23,70 Tonnen (Im Hafen, MDO 0,1%)

  • 7,61 Tonnen (Transit, MDO 0,1%)

  • 33,07 Tonnen (Schiffsfahrt im Radius 50km, BFO 3,5%)

In der Zeit, in der sich unser Durchschnittsschiff in der Lagune aufhält, verbraucht es 64,38 Tonnen schwefelhaltige Gase. Unser „Durchschnittsschiff“ kommt 569 Mal pro Jahr (2012). Damit werden in Venedig jährlich etwa 36,632,22 Tonnen giftige Gase alleine durch Kreuzfahrtschiffe ausgestoßen.

Die meisten Schmutzstoffe sind Stickstoffmonoxid, Schwefeldioxid und Kohlenstoffmonoxid. Hinzu kommen Feinstaubpartikel, persistente organische Schadstoffe, Hexachlorbenzene, polychlorierte Biphenyle und Schwermetalle, wie Blei, Cadmium, Quecksilber, Arsen, Chrom, Kupfer, Nickel und Zink.

Die Gesamtkosten, die in Venedig wegen der Luftverschmutzung entstehen, belaufen sich auf rund 118 Millionen Euro.

Lösungen für eine Reduzierung der Abgase:

Eine Möglichkeit, um den Abgashaushalt zu reduzieren, wäre, strengere Auflagen einzuführen. Die Schornsteine sollen weniger schwefelhaltiges Gas ausstoßen.

Ein Vorbild für umweltfreundlichere Schiffe ist die Reederei MSC Kreuzfahrten. Die „MSC Seaside“, ein Kreuzfahrtschiff, welches im November 2017 in Betrieb genommen wird, soll mit zukunftsweisender und umweltfreundlicher Technologie ausgestattet werden. Das Schiff wird über erweiterte Wasseraufbereitungsanlagen verfügen, um Schadstoffe und gefährliche Substanzen aus dem Abwasser zu beseitigen. Zusätzlich wird es auf der „Seaside“ Müllaufbereitungsanlagen für ein hocheffizientes Abfallmanagement, Entschwefelunstechnologie zur Reduzierung der Emissionen, eine Anwuchs verhindernde Farbe, optimierte Rumpfkonturen, Schiffsschrauben und Ruder zur Verringerung von Strömungswiderstand und Kraftstoffverbrauch, LED-Beleuchtung für einen geringeren Strom- und Kraftstoffverbrauch, sowie moderne Wärmerückgewinnungsanlagen für Trinkwasser, Wäscherei, Pools und Warmwasser geben.

Auch AIDA Cruises ist vorbildlich beim Thema Umweltschutz: AIDAprima und AIDAperla können mit Flüssiggas betrieben werden, weshalb der Schadstoffausstoß praktisch Null ist. Die AIDAnova wird diese Standards noch einmal erhöhen.

Würde man alle Schiffe mit solchen neuartigen Technologien ausstatten, könnte man die oben genannten Zahlen enorm reduzieren.

Die Verschmutzung des Ozeans durch Kreuzfahrtschiffe

Schiffe produzieren unterschiedliche Arten von Schmutz:

  • Feststoffabfall: Dazu gehören Papier, Plastik, Glas und Essensreste. Die organischen Reste werden direkt an Bord geschreddert und im Meer entsorgt. Auf modernen Schiffen wird der nicht-organische Abfall eingeäschert und danach ins Meer geworfen.

  • Abwasser: Schiffe produzieren drei Varianten von Abwasser:

  • Öliges Wasser (Schwarzwasser): Sanitäre Anlagen

  • Grauwasser: Waschbecken, Duschen, Badewannen, Waschmaschinen, Küchen, Pools, Saunas, Spa etc.

  • Bilgenwasser: Öl, Schmierstoffe, chemische Waschmittel, Metall- und Glasfragmente. Das Bilgenwasser wird gefiltert und danach über Bord gepumpt.

Tests haben ergeben, dass die Filtersysteme oft nicht gut genug sind und nicht alle Stoffe entfernen: So wurden im Schwarzwasser mancher Schiffe Kolibakterien gefunden.

  • Giftiges Wasser: Wäscherei, Putzmittel, Fotos, generelle Pflege des Schiffes und Arztpraxis. Die giftigen Wasser können Schwermetalle (s.o.) enthalten. Sie dürfen ausschließlich an Land mit speziellen Geräten abgepumpt werden.

Fazit – Mehr Kosten als Vorteile

Die totalen Beträge von Kosten und Einkommen durch Kreuzfahrttouristen sind fast identisch. Tatsächlich sind hier einige Unkosten noch nicht berechnet, weshalb die hier angezeigten Gesamtkosten nur die Spitze des Eisberges darstellen. Denn es kommen noch Ausgaben, wie die Renovation der Fundamente von den beschädigten Gebäuden hinzu.

Es gab einige Entwürfe, die für Schiffe einen Hafen außerhalb der Lagune vorgesehen haben, also auf einer künstlich aufgebauten Insel. Dadurch würde die Anzahl der beschädigten Fundamente durch starken Wellengang sinken und die Arbeitsplätze im Hafen würden nicht verloren gehen. Natürlich wäre dadurch nicht das Problem der hohen Touristenzahl gelöst. Immerhin wäre das Projekt aber ein erster Schritt, um die Stadt selbst etwas zu schützen.

Seit dem 1. Januar 2015, sollten keine großen Kreuzfahrtschiffe (über 96.000 Tonnen) durch den Giudeccakanal fahren. Doch ein Gericht kippte das Schiffsverbot, weshalb wieder alle Riesendampfer in die Stadt einfahren durften.

Im November diesen Jahres konnte sich die italienische Regierung für einen endgültigen Beschluss einigen: In Zukunft dürfen keine Kreuzfahrtschiffe über 55.000 Tonnen im aktuellen Hafenkomplex anlegen. Ab 2019 soll auf der gegenüberliegenden Seite der Lagune ein Terminal für Kreuzfahrtschiffe über 55.000 Tonnen entstehen. So wird die direkte Durchfahrt der Schiffe an der Altstadt vermieden.


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